In den Jahren nach der verstärkten Zuwanderung von geflüchteten Menschen aus Syrien haben sich viele Initiativen zur Unterstützung dieser Menschen gebildet. Die „Willkommenskultur“ war Realität, nicht nur auferlegte Notwendigkeit des „Wir schaffen das!“ Diese politische Aufforderung hat einen guten Rahmen geschaffen, aber erfahrbar für die geflüchteten Menschen war das Engagement im Alltag. Dieser Alltag besteht nun nicht nur aus den expliziten Hilfsaktionen, sondern auch, und vielleicht vor allem, in den Gelegenheiten zum gemeinsamen Erleben mit seiner emotionalen Grundierung. Auch die Abflachung des oft hierarchischen Verhältnisses von Helfern und Geholfenen ist wichtig, ja sogar entscheidend, um wirkliche Teilhabe zu erleben. So haben sich Initiativen gebildet zum „Wandern mit Flüchtlingen“, zum gemeinsamen Singen im Chor, zum Fußballspielen in den Vereinen und vieles mehr. Der Wert dieser Unternehmungen für alle Teilnehmenden zeigt sich im direkten Hinschauen und Erleben.
Heidelberg-Exkursion 2022
In der Mainzer Neustadt leben Menschen, die diesen Stadtteil in ihrem Leben nur einige Male kurzfristig verlassen haben und über die übrige Welt nur über die Medien informiert sind. Demgegenüber haben Migranten einen großen Ausschnitt des Globus selbst kennen gelernt. Oft aber kommen sie dann, zumindest in den ersten Jahren, in ihrem neuen Heimatland nicht herum. Bürokratische Beschränkungen für Ausländer, finanzielle Grenzen und die Notwendigkeiten des täglichen Lebens sorgen für diese Begrenzung. Deshalb ist es für einen Kurs, der sich zunächst auf den Spracherwerb konzentriert, auch wichtig und „zielführend“, wie es heute heißt, durch Exkursionen die Welt der neuen Sprache persönlich kennen zu lernen. Vielleicht sind solche Aktivitäten, die der Träger eines Sprachangebots organisiert, ebenso wichtig wie der tägliche Kurs. Denn die Exkursion ist auch eine verdichtete Kommunikation und belebende Gemeinschaftsbildung.
Als gemeinsamen Ausflug hatten sich die Schülerinnen und Schüler des diesjährigen B2-Kurses für eine Städtebesichtigung entschieden. Nach vorangegangenen Abwägungen wurde schließlich Heidelberg ausgewählt, das von Mainz aus auch mit der Regionalbahn recht leicht erreichbar war.
Mit dem für alle günstigen 9-Euro-Ticket im Gepäck, trafen sich alle Interessierte am Mainzer Hauptbahnhof und machten sich zusammen auf den Weg. Die Regionalbahn führte uns in eineinhalb Stunden über Ludwigshafen schließlich sicher nach Heidelberg.
Nach unserer Ankunft am Hauptbahnhof suchten wir sofort eine direkte Busverbindung zur Heidelberger Altstadt und zum Schloss. Vor unserem Aufstieg zum Schloss genossen wir jedoch zunächst noch eine gemütliche Kaffeepause in einem der schön gelegenen Cafés der Heidelberger Altstadt. Nach dieser Stärkung mit Kaffee und Kuchen wurde der Aufstieg gut geschafft, trotz des Gepäcks, das ein wenig verteilt werden musste.
Obwohl der Himmel sich inzwischen zugezogen hatte und unsere Regenschirme ausgepackt werden mussten, hatte sich der Aufstieg gelohnt. Wir wurden nämlich mit einer wunderschönen Aussicht belohnt: Vom Schlossgarten aus hatte man einen herrlichen Blick auf die Altstadt, den Neckar und die andere Seite der Stadt Heidelberg.
Nach einigen schönen Erinnerungsfotos im Schlossgarten vor der Steinfigur des „alten Vater Rhein“ und einem Video an einem überdimensional großen Holzpferd fanden wir einen ruhigen Platz für eine „Vesperstunde“. Kein Wunder, dass das Reisegepäck so unterschiedlich schwer war: Jetzt wurden wir mit Finger-food-Gebäck beschenkt, das einige zu Hause für uns alle vorbereitet hatten und das wir in der warmen Augustsonne zur Mittagszeit einnehmen konnten.
Selbstverständlich wollten wir aber noch mehr entdecken und so verließen wir den Schlossgarten auch wieder. Da unsere Bushaltestelle gegenüber dem Otto-Benz-Museum lag und wir noch Wartezeit hatten, sorgte eine Museumspädagogin für eine nette Überraschung: Nachdem sie uns durch das geöffnete Fenster gehört hatte, schlug sie uns ein kleines Meeting im Hof des Museums vor und erzählte uns dort einiges über Carl Benz und seine besondere Bedeutung als Chemiker.
Als „unser“ Bus schließlich an der Haltestelle stoppte, staunten wir nicht schlecht, da er nicht aussah wie ein Stadtbus, sondern wie ein Sammeltaxi. Die Richtung stimmte und so stiegen wir ein. Was wir nicht wissen konnten: die Sammelbusfahrerin verstand die Gespräche unserer türkischen Kursteilnehmer und klinkte sich fröhlich ein. Die Rückfahrt zurück in die Stadt war kurzweilig….
An einem geeigneten Platz unweit der Neckarbrücke ließ uns die freundliche Busfahrerin aussteigen und verabschiedete sich herzlich. Vor der Neckarbrücke ließ uns das moderne, aus Metall geschaffene Kunstwerk eines Affen, der einen Spiegel in seinen Händen hält, nach der Sinnbildlichkeit fragen: Die Erinnerung an die stammesgeschichtliche Herkunft soll den Menschen daran erinnern, sich selbst nicht allzu wichtig zu nehmen, so fanden wir heraus. Diese humorvolle Mahnung zur Demut nahmen wir mit, indem einige ihren Kopf unter das hohle Metallgesicht schoben, um ein Erinnerungsfoto zu machen.
Das alte Stadttor hinter uns lassend, gingen wir durch kleine von romantischem Charme geprägte Gassen schließlich wieder zurück in die Altstadt, zum Marktplatz und zur Marktkirche. Da die Kirche an diesem Tag jedoch nicht geöffnet war, konnten wir ihren Innenraum leider nicht besichtigen.
Nachdem wir eine passende Haltestelle für einen Bus zurück zum Hauptbahnhof gefunden hatten, verließen wir die Altstadt auch schon wieder und machten uns nach einigen wirklich schönen und erlebnisreichen Stunden in Heidelberg wieder auf den Heimweg. Die Zugfahrt ließ uns Zeit, unsere schönen Eindrücke zu festigen, begleitet vom Klang des alten Schlagers: „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“, den wir inzwischen kennengelernt hatten.
Mit dem Wunsch, noch andere schöne Städte in Deutschland zu besuchen, verabschiedeten wir uns am Abend schließlich wohlgemut am Mainzer Hauptbahnhof voneinander.
Christa Cambeis
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